„Muss das denn wirklich sein?“ stöhnte Nick aus dem Badezimmer.
Er verteilte das Eau de Toilette auf seinen Wangen.
„Jetzt hab ́dich nicht so.“ rief Anna von Nebenan, an der Bettdecke zupfend.
Sie drückte die Play Taste an ihrem alten Kofferradio auf dem Nachtschränkchen.
Nick hielt mit den Händen an seinen Wangen inne und sah im Spiegel seine in Falten
gelegte Stirn.
„Um Himmels Willen! Sind das Simon and Gafunkel?“ rief er seufzend.
„Das ist deine Entrance Music.“ freute sich Anna. „The Boxer“
„Entrance Music? Das ist genauso lächerlich, als würdest du auf dem Weg zur Arbeit
Please Mr. Postman hören…“
„Das tue ich!“
Eine Minute später betrat Nick das Schlafzimmer.
„Ich komme mir absolut albern vor…“ seufzte er.
„Unsinn! Du siehst unglaublich heiß aus.“
Nick sah zweifelnd an sich hinab. Der Bademantel den er trug, hatte vielleicht damals auf
dem Weg zum Boxring Eindruck gemacht, jetzt nahm er sich eher seltsam aus.
Anna klatschte erfreut in die Hände.
„Nächstes mal trägst du die Handschuhe.“ sagte sie mit Begeisterung.
„Keine Chance. Die Dinger hab ich für immer an den Nagel gehängt…“
„Na komm schon her, Mr. Fliegengewicht!“
„Hey! Ich war Halbschwergewicht…“
„Das ist irgendwie schwer zu glauben, wenn man dich jetzt so sieht.“
„Ich arbeite am Muskelaufbau… Das dauert!“
„Los, setzt deinen Mundschutz ein…Und dann knock mich aus, Champ!“
Nick zündete die Zigarette an, und nahm einen tiefen Zug.“ Annas Kopf lag auf seiner
Brust, und der Duft ihrer Haare vermischte sich mit dem Rauch.
„Ein Boxer ist doch irgendwie eine tragische Figur.“ sinnierte Nick.
„Was meinst du?“
„Na ja, da kämpft man sein ganzes Leben lang gegen Gegner, gegen die man eigentlich
gar nichts hat, vielleicht in etwa so wie ein Soldat, und irgendwann ist man an dem Punkt
angelangt, wo einem auffällt, dass man in Wahrheit nur gegen sich selbst gekämpft hat.
Irgendwie tragisch.“
„Wow! Du bist aber ganz schön reflektierend heute.“
„Ich mache mir so meine Gedanken.“
„Also vor fünf Minuten war dein Gehirn noch komplett ausgeschaltet…“
„Komm schon. Ich meins ernst. Was hat mir das Kämpfen gebracht? Ich hab nicht mal
genug Geld verdient, um einigermaßen angenehm zu leben.“
„Nick, mein Schatz. So geht es den meisten Menschen!“
„Schon, aber das war nie das, was ich wollte. Ich meine, als ich alleine gelebt habe, da
war es mir egal. Aber jetzt…Du weißt schon.“
„Was denn?“ grinste Anna. „Hast du Angst, dass du mir nicht genug bieten kannst?“
„Wie auch immer. Ich finde jedenfalls, dass die Kämpfe nicht umsonst gewesen sein
sollten. Am Ende sollte alles was man getan hat, doch irgendeinen Sinn ergeben.“
„Heißt das, du willst wieder in den Ring steigen?“
„Nicht doch, nein. Aber ich hab mir gedacht, vielleicht eröffne ich ein Gym. Teile meine
Erfahrung mit Anderen. Und gebe vielleicht auch selbst n paar Stunden.“
Annas Kopf hob sich. Sie nahm Nick die Zigarette aus der Hand und nahm einen Zug.
„Das ist ja phantastisch.“ sagte sie. „Und so etwas kannst du? Ich meine andere zu
trainieren? Muss man denn dafür nicht eine spezielle Ausbildung haben?“
„Ich war ein recht aufmerksamer Schüler, was das betrifft. Außerdem kann ich durch die
praktische Erfahrung im Ring punkten. Das sollte reichen, meine ich.“
„Flips wäre vermutlich hin und weg. So würdest du endgültig zu seinem neuen Helden
aufsteigen. Stell dir nur vor: Du könntest der Trainer eines neuen Champs werden!“
„Eins nach dem anderen. Erstmal müsste ich zusehen, dass ich einen Kredit bekomme.
Dann bräuchte ich einen geeigneten Raum…Mann müsste Werbung machen. Da gibt es
eine ganze Menge zu berücksichtigen.“
„Ach was! Alles was du brauchst ist Mut! Was soll schon passieren? Wenn ́s nicht klappt,
dann eben nicht. Mach dir nicht so viele Gedanken!“
„Ich bin kein Geschäftsmann. Ich habe keine Ahnung von Steuererklärungen und diesem
ganzen Mist. Genaugenommen weiß ich nicht einmal, was ich eigentlich alles wissen
muss.“
„Das wirst du schon raus finden. Unfähigere Menschen als du, betreiben auch Geschäfte.
Das ist kein Hexenwerk.“
„Na prima…Hätte ich bloß nicht davon angefangen.“
„Hast du aber! Und du weißt genau, dass ich dich nicht vom Haken lasse, bis du es
wenigstens probiert hast.“
„Ja verdammt, ich weiß.“ stöhnte Nick.
„Und deshalb liebst du mich! Stimmts?“ grinste Anna.
Nick atmete tief durch.
„Ja doch um Himmelswillen. Deshalb liebe ich dich!“
„Na siehst du. Du hast stärkere Gegner auf die Bretter geschickt, als die paar blöden
Bänker, Vermieter und was weiß ich. Das sind alles bloß älter gewordene BWL Studenten.
Vergiss das nicht. Die können nix!“
Nick war wenig überzeugt, aber was sollte er machen. Er hatte die Idee gezeugt, jetzt
musste er auch versuchen sie zu gebären.
„Also schön.“ sagte er. „Morgen werde ich ein paar Erkundigungen einziehen. Und jetzt
drück schon auf Play. Ich weiß das du eine zweite Runde willst!“
Am nächsten Morgen saßen Nick und Flips vor ihren Cornflakes.
Anna hatte früh zur Poststelle gemusst, natürlich nicht ohne Nick vorher augenzwinkernd
viel Erfolg für den Tag zu wünschen.
„Was ist los?“ fragte Flips. „Du wirkst heute so angespannt.“
Nick dachte an die 25.000, die er Toni dem König schuldete, und an die 33er von
Rodriguez, in deren Lauf er vor sechs Monaten geblickt hatte. Seine Frist hatte eine Woche
betragen, aber seit seinem letzten Besuch hatte er weder von Rodriguez, noch von Toni
gehört. Das war merkwürdig. Vielleicht hatten sie lukrativere Geschäfte vorgezogen. Aber
das hieß kaum, dass Toni deshalb Nicks Schulden vergessen hatte.
„Alles okay. Deine Mom hat mich die halbe Nacht wach gehalten.“ sagte Nick.
„Das ist widerlich!“ raunte Flips.
„Wir haben geredet! Ich hatte da so eine Geschäftsidee…Ich bin mir nur nicht so sicher,
ob es klug war Anna vorher davon zu erzählen.“
„Aha!“ sagte Flips. „Sie hat dich am Haken!“ Er grinste. „Da lässt sie nicht locker, bis du
es wenigstens probiert hast.“
„Na vielen Dank für die aufbauenden Worte. Ich glaube etwas ähnliches habe ich letzte
Nacht auch schon gehört.“
„Macht nichts. Wenn du scheiterst, findet sie es nicht schlimm. Sie wäre nur beleidigt,
wenn du ́s nicht versuchst…Was ist es? Ein Gym?“
Nick sah Flips fragend an.
„Dein Ernst? Sie hat dir jetzt schon davon erzählt?“ stöhnte Nick.
„Das war nur gut geraten! Was hätte es sonst sein sollen?“
„Philipp!“
„Also gut, vielleicht hat sie mir noch eine SMS geschickt, bevor sie zur Arbeit musste…“
Nick griff sich resignierend an die Stirn.
„Und du sollst mich weiter weichkochen?“ atmete er mehr, denn er sprach.
„Als ob das nötig wäre…“ grinste Flips.
„Oh Mann! Also schön, iss deine Cornflakes. Wenn ich dich zu spät zur Schule bringe,
dann…na ja, du weißt schon.“
Nick schnappte sich seine Jacke, warf sich Flips Rucksack über die Schulter und dann
bugsierte er den Rollstuhl samt seinem Bewohner die Treppe hinunter und nach draußen.
Als er den Jungen bei der Schule abgesetzt hatte, fuhr er zurück nach Hause, um sich ein
frisches Hemd anzuziehen.
Vor dem Haus stand ein Wagen, den Nick schon sehr lange nicht mehr gesehen hatte.
Ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben und einem unverkennbaren Hamburger
Nummernschild.
Nick zog die Handbremse fest, und sackte in seinem Sitz zurück.
„Verdammte Scheiße!“ murmelte er.
Er stieg aus und ging über die Straße.
Das hintere Fenster des Mercedes wurde automatisch herunter gelassen, und ein dicker
Kopf trat aus der Dunkelheit zu Tage. Auf den Lippen ein Lächeln, das alles zu bedeuten
haben konnte, außer den eigentlich positiven Eigenschaften eines Lächelns.
Nick lief ein Schauer über den Rücken.
„Hallo Nick.“ sagte der dicke Kopf.
„Hallo Toni.“
Nick ging um den Wagen herum, und stieg auf der anderen Seite ein.
Neben Toni dem König, war es eng auf dem Rücksitz.
Nick sah in den Rückspiegel über der Frontscheibe.
„Rodriguez.“ nickte er kurz.
„Niklas.“ erwiderte Rodriguez für seine Verhältnisse sparsam.
Einen unendlich erscheinenden Augenblick herrschte Stille. Dann ergriff Toni das Wort.
„Wie geht es dir Nick?“
„Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, dass du mir da
gleich auf die Sprünge helfen wirst.“
„Ist ne ganze Weile her mein Junge. Du hast abgenommen. Siehst schwach aus.“
„Ich arbeite am Muskel- …nicht so wichtig.“
„Also? Wie wäre es mit einer Erklärung?“
„Ums kurz zu machen, ich hab kein Geld. Und ich hab nicht die leiseste Ahnung, wie ich
es beschaffen soll.“
Tonis dicker Kopf nickte langsam. Er fuhr sich mit der Hand über den Schnurrbart.
„Bedauerlich.“ sagt er knapp. „Wenn ich nicht irre, hatte mein Freund Rodriguez dir so
etwas wie ein Ultimatum gestellt.“
„Ich erinnere mich. Eine Woche…das ist aber schon eine ganze Weile länger her.“
„Und? Willst du mir etwa sagen, du bist der Meinung das die 25.000 verjährt sind?“
„Nein.“
„Hast du es in der Zwischenzeit vergessen? Hast du neben deinem Körpergewicht, auch
an Gehirnmasse verloren?“
„Toni…“
„Halt dein Maul!“ bellte Toni.
„So wie ich die Sache sehe, war es doch ziemlich nett von von mir, dir so lange Zeit zu
lassen. Und jetzt, da besitzt du die Frechheit mir zu sagen, du hättest keine Ahnung, wie du
das Geld beschaffen sollst?“
„Ich weiß es wirklich nicht.“
„Nick! Du und ich, wir hatten doch keine schlechte Zeit. Und ich hab dich immer gut
leiden gekonnt. Aber auch meine Geduld hat Grenzen. Fangen wir doch mal damit an, was
an dem Abend damals passiert ist…Also? Was um alles in der Welt hat dich damals
geritten? War es dein Stolz? Oder dein Ego? Warum bist du nicht einfach in der dritten
Runde zu Boden gegangen?“
Nick schüttelte den Kopf. Er atmete tief durch.
„Toni, ich kann es dir nicht genau sagen. Ich weiß es einfach nicht…“
„Was hat der Typ im Ring gesagt, dass du so ausgeflippt bist? Oder hast du hinter
meinem Rücken noch eine andere Wette platziert? Wenn ja, dann wäre jetzt der richtige
Zeitpunkt, für eine Beichte.“
„Du solltest wirklich beichten!“ sagte Rodriguez nickend vom Fahrersitz.
Nick überlegt was er sagen sollte.
„Ist es okay wenn ich rauche?“ fragte er schließlich.
„Es ist deine Gesundheit.“ sagte Toni.
Nick zündete sich die Zigarette an. Rodriguez öffnete die Dachluke einen Spalt weit.
„Also?“ wartete Toni.
„Ich konnte es einfach nicht tun.“ murmelte Nick. „Es ging nicht. Ich musste an meinen
Sohn denken, und danach verschwimmt irgendwie alles.“
„Dein Sohn ist tot, Nick. Ihm hat das alles gar nichts genützt“
„Richtig.“ sagte Nick. „ Ihm hat das alles gar nichts genützt. Und genau deshalb gab es
keinen Grund mehr für mich, Kämpfe zu manipulieren.“
„Verstehe.“ sagte Toni. „Nick, ich bin kein Unmensch. Die Sache mit deinem Jungen tut
mir leid. Aber ich bin auch Geschäftsmann, und als solcher hast du immer noch Schulden
bei mir.“
„Ich überlege mich selbstständig zu machen. Ein eigenes Gym. Ich hab nur noch keine
Ahnung, wie ich das mit der Finanzierung hinbekommen soll.“
Toni lächelte.
„Finanzierung? Ich bin mir sicher das sich da ein Weg finden ließe, wenn die Motivation
nur groß genug ist.“
„Ich arbeite seit einem halben Jahr als eine Art Hausmeister. Dadurch spare ich an Miete.
Aber große Sprünge kann ich nicht tun. Ehrlich gesagt, ich bin nicht mal besonders fähig
darin, Dinge zu reparieren.“
„Dinge wie unser Beziehung zum Beispiel?“ fragte Toni. „Du warst Boxer, du hast schon
immer lieber zerstört, als repariert. Das liegt in der Natur der Sache.“
„Die Natur der Sache, Nick!“ unterstrich Rodriguez durch den Rückspiegel blickend.
„Was stimmt eigentlich nicht mit Rodriguez?“ zischte Nick.
„Tja, wer das herausfindet, dem kann man getrost Weisheit attestieren. Aber hier geht es
nicht um ihn. Sondern um 25.000 Euro. Und so wie ich die Lage einschätze, haben wir nun
einige neue Optionen.“
„Ich bin ganz Ohr.“ stöhnte Nick.
„Im Normalfall wäre ich nicht geneigt, Geschäfte mit jemandem zu machen, der
offenkundig Probleme damit hat sich an eindeutige Absprachen zu halten. Aber wie es
aussieht, hat sich in deinem Privatleben einiges getan. Eine Frau, ein kleiner Junge. Solche
Dinge bringen Verantwortung mit sich. Schon möglich, dass dir deine eigene Gesundheit
scheiß egal ist, aber wie steht es wohl um die Gesundheit deiner Liebsten?“
Nick merkte wie sich seine Hände zu Fäusten ballten.
„Toni, bitte…“
„Nur ruhig Blut. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht lukrativ zusammen arbeiten
sollten. Ich habe ein paar ganz vielversprechende Jungs, die einen guten Coach gebrauchen
könnten. Und über Expansion denke ich auch schon länger nach.
Was sagst du dazu? Ich kümmere mich sogar höchstselbst darum, dir eine geeignete Halle
zu besorgen. Machen wir uns nämlich nichts vor, solche Dinge sind zu komplex für dich.“
„Und dann?“ fragte Nick.
„Dann formst du mir aus der Masse, die ich dir hinwerfe einen neuen Champion.“
Am Abend rief Anna Nick in die Küche.
„Guck dir das an!“ fluchte sie. „Die Fischstäbchen sind total angebrannt. Die verdammte
Panade klebt immer an der Pfanne fest. Dieses Teflon ist nicht nur gesundheitsgefährdend,
es bringt auch nicht das, was es verspricht.“
Nick versuchte aufmunternd zu grinsen.
„Erinnerst du dich an unser erstes Date?“ fragte er. „Da gab es auch einen Zwischenfall
mit den Fischstäbchen…Scheint eine Art Running Gag in unserer Beziehung zu sein.“
„Es ist ärgerlich. Wir haben mit den verdammten Dingern einfach kein Glück!“
„Soll ich beim Chinesen anrufen?“
„Schon wieder Essen bestellen, das können wir uns auf Dauer nicht leisten.“
„Na ja, vielleicht können wir das demnächst ja doch.“
„Was soll das bedeuten?“ Anna versuchte mit einem Holzlöffel das Angebrannte
abzukratzen.
„Kann sein, dass ich Jemand gefunden habe, der mein Vorhaben finanziert.“
„Tatsächlich? Wow. Das ging aber flott.“
„Ja. Schon irgendwie. War eher zufällig. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob ich mit
dieser Person Geschäfte machen sollte.“
„Ein Geist aus deiner düsteren Vergangenheit?“ lächelte Anna.
„Wie kommst du nur immer auf so etwas?“
„Klingt nach nem dubiosen Geschäftsmann. So ne Art Kredithai!“
„Wenn man so will…Ein alter Bekannter, aus der Zeit in Hamburg. Hat mir damals n
Trainer und einige gute Kämpfe besorgt. Ist so eine Art lokaler Promotor gewesen.“
„Und wo liegt dann das Problem?“
„Ich weiß auch nicht. Ich wollte meine Vergangenheit eigentlich lieber hinter mir lassen.
Diese ganzen Typen damals, dass sind keine Leute mit denen man sich umgeben möchte,
wenn man so etwas wie eine Familie hat. Verstehst du?“
Anna wischte erfolglos mit zwei Blatt Küchenrolle durch die Pfanne.
„Wie süß von dir. Wenn du dir Sorgen machst, wegen Flips und mir, dann brauchst du uns
ja nicht zu erwähnen. Sag einfach du lebst einsam und frustriert vor dich hin. Und du
brauchst was zu tun, weil du sonst wahnsinnig wirst.“
Nick stöhnte leise in sich hinein.
„Was?“ fragte Anna. „Der Kredithai weiß schon von uns?“
„Der Kerl ist kein echter Kredithai!“
„Wieso weiß er von uns? Wenn du es nicht willst, wieso hast du dann von uns erzählt?“
„Hab ich ja nicht…“
„Oh nein!“ Anna warf die Fett absorbierten Küchenrollenblätter in den Mülleimer. „Der
Typ ist einer, der dich gefunden hat! Wie viel schuldest du ihm? Oh Gott, er weiß von uns,
weil er Nachforschungen angestellt hat. Du bist aus Hamburg weg, weil du geflüchtet
bist!“
„Das ist doch nicht wahr. Ich bin nicht geflüchtet…“
„Nick! Was ist los? Sind wir etwa in Gefahr?“
„Nicht doch, nein!“
„Lüg mich nicht an, Nick. Wie viel schuldest du ihm?“
Nick wusste das es zwecklos war, Anna weiter etwas vor zu machen. Wie immer merkte
sie sofort, wenn etwas nicht stimmte.
„25.000.“
„Um Himmelswillen.“ raunte Anna. „Und? Gibt es so etwas wie ein Ultimatum das du
einhalten musst?“
„Na ja, das gab es. Aber jetzt sieht es so aus, als wollte Toni -so heißt der Typ- ,dass ich
aus einem seiner Jungs einem neuen Champion mache.“
Annas Mine entspannte sich.
„Hm.“ machte sie.
„Was ist?“ fragte Nick.
„Das klingt doch verhältnismäßig gut, oder nicht? Ich meine, 25.000 Euro hättest du
kaum auftreiben können. Und bevor der Typ…Toni…dir die Beine bricht, oder
schlimmeres, da mach doch einfach aus einem seiner Jungs einen Champion. Im Endeffekt
ist das doch ohnehin das, was du vor hattest.“
„Ich wollte vielleicht n paar Stunden geben, mich um die Jüngeren Boxer kümmern. Aus
jemandem einen Profi zu machen, dass ist etwas ganz anderes.“
„Mag sein. Aber wäre dieser Toni nicht davon überzeugt, dass du das hinbekommst, hätte
er dir dann diesen großzügige Angebot unterbreitet?“
„So wie du das sagst, klingt das fast schon nach einer Chance.“
„Was ist denn mit den Fischstäbchen?“ rief Flips aus dem Wohnzimmer. „Und diesen
blöden Dreisatz kriege ich auch einfach nicht hin. Nick?“
„Ich komme gleich.“ rief Nick.
„Nur eins muss ich noch wissen.“ sagte Anna. „Hier tauchen jetzt nicht irgendwelche
Schlägertypen auf, oder so was? Wir sind doch in Sicherheit?“
„Ich passe auf euch auf. Mach dir keine Sorgen.“
In diesem Moment klingelte es an der Tür.
In einer recht merkwürdigen Konstellation saßen Nick, Anna und Toni am Tisch im
Wohnzimmer und aßen Stücke von der Familienpizza, die Toni mitgebracht hatte.
Rodriguez und Flips brüteten über einer schier unlösbaren Hausaufgabe im Dreisatz, wobei
Rodriguez versuchte Flips die Nützlichkeit von Mathematik zu erklären, und die Aufgabe
durch praktische Bezüge zum Alltag interessanter wirken zu lassen.
„Sie scheinen gar nicht so ein übler Kerl zu sein.“ sagte Anna, ein Stück Pizza kauend.
„Als Nick mir -widerwillig- von der Situation erzählt hat, da war ich zu erst beunruhigt.
Jetzt hab ich ein beinahe positives Gefühl.“
„Ich bin kein Monster“ kaute Toni. „Aber ich mag es nicht, wenn man Schulden bei mir
hat. Verwechseln sie also nicht zwangsläufig geschäftliche Interessen mit Höflichkeit.“
„Sagen Sie mir nur eins.“ sagte Anna. „Es ging um einen manipulierten Kampf, nicht
wahr? Nicks Geschichte von der Schulterverletzung hab ich nie wirklich geglaubt. Dafür
bewegt er sich zu solide.“
„Schulterverletzung?“ lachte Toni. „Nick, da ist dir nichts besseres eingefallen?“
„Ich wurde überrumpelt! Hatte keine Zeit nachzudenken.“
„So ist er.“ sagte Toni. „Denken war nie seine größte Stärke. Aber er war ein guter Boxer.
Das muss ich ihm lassen. Und wäre das nicht der Fall gewesen, dann wären die Schulden
die er bei mir hat, ein weitaus größeres Problem, als sie es jetzt sind. Ich bin fest davon
überzeugt, dass mit Nicks Erfahrungen im Ring, einige meiner Jungs weit kommen
könnten.“
„Was ist denn mit Paul passiert?“ fragte Nick. „Trainiert er jetzt anderswo?“
„Paul taucht mit den Fischen.“ zwinkerte Toni.
Anna verschluckte sich beinahe an einem Stück Pizza, und würgte kurz.
„Schon gut.“ beruhigte Toni. „Nicht das was Sie denken. Er hatte keine Lust mehr Jungs
zu trainieren, die wenn sie gut genug sind, immer verlieren mussten. Er ist jetzt irgendwo
in Südamerika, und bringt Leuten das Tauchen bei.“
„Ajaccio liegt nicht in Südamerika!“ rief Rodriguez von Nebenan. „Das ist auf Korsika,
der viertgrößten Insel im Mittelmeer, und Korsika gehört bereits seit 1768 zu Frankreich.“
„Wie auch immer.“ stöhnte Toni.
„Okay, schon gut.“ sagte Nick. „Aber wie sieht der Plan aus? Willst du einen Champ,
oder Jemand der gut verlieren kann, wenn die Quote stimmt?“
„Ich finde es ist an der Zeit für einen Champion. Ich habe keine Lust mehr, mich mit
Kleinkram abzugeben. Auf uns warten größere Fleischtöpfe.“
„Und die Jungs die du da an der Hand hast…“ sagte Nick „Da ist Potential vorhanden?“
„Sieh sie dir an. Ich glaube schon das sich da einiges machen lässt.“
Später am Abend lagen Nick und Anna im Bett und starrten an die Decke.
„Hört sich doch gar nicht so schlecht an, was Toni sagt.“ meinte Anna.
„Abwarten. Aber wie es aussieht, bin ich mit einem blauen Auge davon gekommen.“
„Und das als Boxer!“ grinste Anna.
„Ja. Und das ist schon okay. Ich war immer Boxer, und werde immer irgendwie Boxer
sein. Ich bin wie eine Schlange, ich kann nicht aus meiner Haut raus.“
Anna nahm sich eine Zigarette vom Nachttisch und steckte sie an.
„Echt jetzt? Schlange?“ lachte sie.
Nick hatte den unglücklichen Vergleich bereits bemerkt.
„Okay, okay…“ sagte er.
„Ich meine, du hättest alle möglichen Vergleiche benutzen können, aber ausgerechnet
Schlange…?“
„Schon gut…“
„Vielleicht Mantarochen…oder Weißhandgibbon oder so…Die können soweit ich weiß
nicht aus ihrer Haut.“
„Ich habs ja verstanden…“
„Außerdem bist du viel zu niedlich für eine Schlange.“
„Ach ja? Bin ich das?“
„Ja.“
„Aber nur, weil du mich nie im Ring gesehen hast…da war ich wie ein…“ Nick überlegte.
„Ein was?“ lächelte Anna in Erwartung eines sinnlosen Vergleichs.
„Hm…Wie wäre es mit einem American Pit Bull Terrier?“
Anna drückte die Zigarette aus.
„Weil du dich festbeißt…nicht schlecht. Na los, dann beiß dich mal an mir fest, und dann
verpass mir deine sagenumwobene Schlange…“
Nick rollte sich über Anna und er machte den Arm lang und knipste die Nachttischlampe
aus.