Ich saß zwischen Paletten von leeren Bierdose und starrte auf den schwarzen
Fernsehbildschirm.
„Willst du einen der Elefanten haben?“ fragte Tim.
„Was?“ reagierte ich.
„Ich war neulich bei Stefan im Kiosk, da hat er mir vier Ü-Eier geschenkt. In allen vier
war der gleiche Elefant.“
Tim zeigte Richtung Fensterbank. Zwischen den verwelkenden Pflanzen standen vier
kleine Elefanten.
„Klar, wieso nicht.“
Wir drehten uns Zigaretten und Joints gingen zum rauchen nach draußen auf den Balkon.
Tim machte einen erbärmlichen Eindruck. Er war seit mehreren Wochen am trinken, und
wartete verzweifelt auf einen freien Platz im Krankenhaus.
Die Ärzte hatten ihm dazu geraten weiter zu trinken, bis ein Bett zur Entgiftung frei wurde.
Ich kannte die Problematik, ich war selbst oft genug in ähnlichen Situationen.
Und so verbrachte ich meine derzeitigen Tage damit bei Tim zu sitzen, ihm beim trinken
zuzusehen und irgendwie die Zeit totzuschlagen.
„Du solltest was essen.“ sagte ich.
„Ich kriege seit vier Tagen nix runter,“
Ich merkte das ihm das sprechen schwer fiel. Der Klos der Angst steckte in seinem Hals,
ein Gefühl das mir wohlbekannt vorkam.
„Von der Heizungsluft gehen meine Pflanzen ein.“ stöhnte Tim. „Auch meine Leon- der-
Profi-Blume. Die hatte ich mir extra im Baumarkt gekauft. Hat verdammte 30 Euro
gekostet.“
„Du musst sie mit Bier reinigen. Schön über die Blätter wischen.“
„Das Bier brauche ich selber. Hab nicht genug Geld übrig.“
Plötzlich fing Tim an zu lachen.
„Was ist?“ fragte ich.
„Neulich Abend, als ich schon gut einen im Kahn hatte, hab ich die libanesische
Botschaft angeschrieben.“
Ich sah Tim fragend an.
„Ich hab die gefragt, ob die mir nicht den Kontakt zu Keanu Reeves herstellen können,
damit er mir das Kämpfen beibringt.“
„Bitte?“
„Keine Ahnung was mich da geritten hat.“
„Ja und? Was haben die geantwortet?“
„Bis jetzt noch nichts.“
Wenn Tim betrunken war, kam er zuweilen auf recht merkwürdige Ideen.
Vermutlich hing das damit zusammen, das er bereits sein ganzes Leben lang mehr oder
weniger allein lebte. Die meiste Zeit des Tages saß er am Computer oder guckte alle
möglichen Dokumentationen.
Er suchte im Internet nach Messern, Bostäben und anderen zur Verteidigung und oder zum
Angriff einladende Gegenstände, die dann meist nutzlos im Universum seiner Behausung
zur letzten Ruhe fanden.
„Du haust die Stütze auch nur für Scheiße raus.“ sagte ich.
„Was meinst du?“
Tim schien verwirrt.
Ich bemerkte erst jetzt das ich das Gras geraucht hatte, statt einer Zigarette. Na sei es
drum, immerhin kam so etwas Leben in die Bude.
„Was willst du mit den ganzen Stichwaffen? Und warum liegt da diese Machete
griffbereit neben deinem Rechner?“
„Schöne Machete Messer!“
Wir lachten. Ein Insider. War während eines Filmdrehs damals, als wir die Dialoge
improvisierten.
„Sechs Kugeln sind schnell, aber meine Rechte ist schneller!“
Ich verschluckte mich am Rauch, und hustete vom Balkon des vierten Stockwerks.
Ich sah nach unten. Ich weiß auch nicht was das ist, dass ich fast täglich über den Tod
nachzudenken gezwungen bin. Aber springen? Niemals! Schon merkwürdig, dass die
Angst vorm Aufschlag, die Angst vor dem Tod übersteigt. Eigentlich ist es am wenigsten
der eigene Tod der mich beunruhigt. Es ist eher eine übersteigerte Verlustangst, die mich
geißelt. Dieses Paket trage ich nun schon mein halbes Leben lang, oder länger. Es stärkt
meine Rückenmuskulatur, so wie mein Rückgrat.
Ich war kein Freund von Verlusten…
Und dennoch, der Gedanke an Selbstmord geisterte permanent in meinem Kopf herum,
wie ein ungebetener Gast.
Diese verführerische Chance, alles Leid und alles Grauen endgültig hinter sich zu lassen.
Dieser egoistischste aller Akte, die höchste Stufe der Selbstsucht.
Dieser Welt einfach entgegenzuschleudern, was man von ihr hielt. Das Ende selber
bestimmen zu können, und dem großen Plan Gottes zu trotzen, das war aberwitzig und
irrsinnig, aber es klang reizvoll, wenn auch am Ende des Tages nicht eine vereinzelte Seele
davon Notiz nehmen würde, und das eigene Ableben als kein Akt des Protestes gegen die
Blauäugigkeit und Hilflosigkeit der menschlichen Spezies in die Geschichtsbücher
eingehen würde. Carradine, Cobain und Hemingway waren schneller gewesen, hatten den
Platz der mir zustand vor mir besetzt, und wie immer kam ich zu dem Schluss, dass ich mit
dem Leid des zu spät geborenen verflucht war.
Das Gefühl das unsere Generation aus dem Ruder laufen würde war allgegenwärtig, nur im
Unterschied zum Glauben der Vietnam Gegner, Blumenkinder und anderer auf Liebe
basierender Ideen früherer geistig umnachteter Propheten, wartete hier nicht die Erlösung
im Paradies, die Zukunft unserer Generation waren künstliche Intelligenz, Klimawahnsinn,
Überbevölkerung und die Angst vor dem dritten Weltkrieg. Keine Droge der Welt konnte
darüber hinwegtäuschen, und mochten sie noch so high machen.
„Ich muss wieder schreiben!“ beschloss ich. „Ich werd demnächst 41, um
Himmelswillen. Und ich hab absolut nix gerissen im Leben. Entweder werde ich Autor,
oder ich gehe komplett sinnlos vor die Hunde.“
„Drauf geschissen!“ keuchte Tim. Er versuchte einen großen Schluck Bier, aber er bekam
ihn kaum runter.
„Entzügig?“ fragte ich.
„Das versuche ich ja gerade zu vermeiden.“
„Dann musst du schneller trinken. Zwings dir rein. Gerade so viel das du was essen
kannst.“
„Leichter gesagt als getan.“
Ich nahm einen tiefen Zug von meiner Tüte und bekam erneut einen Hustenanfall.
„Verficktes Gras, ich brauch dringend mal wieder vernünftiges Hasch.“
„Die Legalisierung ist so gut wie durch.“ sagte Tim. „Dann gibt’s bestimmt auch wieder
vernünftiges Hasch.“
„Wers glaubt…Seid wann sind die Begriffe Staat, Gesetz und Vernunft jemals in einer
wahr klingenden Mundart gesprochen worden?“
„Ist mir auch scheiß egal. Ich vertrag das verdammte Zeug ohnehin nicht mehr. Kriege
nur Kopfkino davon.“
Als wir wieder in Tims Wohnzimmer saßen, gab er mir einen der Ü-Ei-Elefanten.
„Der besticht dadurch, dass man den Kopf leicht bewegen kann.“ pries er die kleine
Plastikfigur.
„Hm.“ ich spielte an seinem Kopf herum. „Ich mochte die echten festen Figuren von
damals lieber.“
Ich überlegte.
„Immer wenn ich denke, Pinguine sind eigentlich meine Lieblingstiere, dann fallen mir
Elefanten ein. Irgendwie ein recht ungleiches Duell.“
„Ich dachte du magst große Unterwassertiere.“ warf Tim ein.
„Tue ich auch. Die haben eine beruhigende Wirkung auf mich. Gerade der große
Mantarochen. Der ist einer der gemütlichsten unserer Meeresbewohner.“
„Ich hab schon drüber nachgedacht mir ein Aquarium zuzulegen. Aber das Saubermachen
nervt tierisch.“
„Dann brauchst du aber wenigstens nicht den ganzen Tag auf diesen verfluchten
Bildschirm zu glotzen…Und es gibt doch diese lustigen Burschen, die den Dreck von den
Scheiben saugen.“
„Das reicht aber nicht. Ich denke es wird eher eine Ameisenfarm werden.“
Ich glaube einer der schlimmsten Tage in Tims Leben war der gewesen, als er Einstein aus
gesundheitlichen Gründen weggeben musste.
Einstein war viele Jahre lang sein Kater gewesen, und er hatte uns bei unseren sinnlosen
Besäufnissen Gesellschaft geleistet. Und wie fast alle Tiere hatte er ein gutes Gespür für
unsere jeweiligen Verfassungen gehabt.
Ging es einem schlecht, weil man mal wieder dabei war sich nüchtern zu saufen, dann kam
er an, und schnurrte beruhigend. War man gut drauf, dann war er eher wild und verspielt.
„Sich mit Tieren zu umgeben ist in jedem Fall immer gut.“ sagte ich. „Ich bin ja einer der
wenigen, die das Leben eines Tieres für genauso wertvoll erachten, wie das eines
Menschen.“
„Ich dachte immer du hasst alle Menschen.“ intonierte Tim.
„Tue ich auch, obwohl das vielleicht zu pauschal formuliert ist. Menschen glauben
immer, sie seien im Recht. Nur weil sie über eine ausgefeiltere Art der Kommunikation
verfügen. Sie können die Scheiße die sie bauen rechtfertigen, und immer noch
hocherhobenen Hauptes in ihr ekelhaftes Spiegelbild blicken, um sich damit zu brüsten,
dass sie der ihrer Meinung nach höchsten Spezies angehören. Was für Narren.
Habsüchtige, legitimierte Massenmörder!“
„Na dann schaff dir doch einfach n Hund an!“ schlug Tim vor.
„Unsinn. Ich hab permanent Nachtschicht in der Bar. Das haut nicht hin.“
„Hm. Na ja…Ich habe mittlerweile drei Rabenpaare, die ich auf dem Weg zum Rewe
füttere. Die erkennen mich. Zwei von denen kommen immer direkt angeflogen, wenn ich
unterwegs bin.“
„Raben was?“ Ich sah an mir herab, auf mein Baltimore Ravens T-Shirt. Ich hatte
Schwierigkeiten damit mir ein lieblings NFL-Team herauszusuchen, aber die Ravens
erschienen mir ob ihres Namensgebers als gut geeignet.
Tims Handy klingelte. Er sprach ein paar knappe Worte. Dann legte er auf.
„Mein Vater kommt gleich rum, und bringt eine Palette Dosenbier vorbei.“
„Okay.“
„Du musst auf jeden Fall mit runter kommen, ich weiß nicht, ob ich den Weg alleine
schaffe.“
„Shit, ich bin total bekifft!“
„Scheiß egal. Du musst nur aufpassen, dass ich nicht hinfalle…Und die Palette nach oben
tragen. Ich hab Null Power übrig.“
„Weil du die Hanteln nie benutzt, die da auf dem Boden verstauben.“
„Ja ja… Mann, das war n hartes Telefonat. Ich meine…scheiße, wir sind in dem Alter, wo
eigentlich wir uns um unsere Eltern kümmern sollten, und nicht umgekehrt.“
„Was solls. Sei froh das es denen besser geht. Unsere Eltern wissen doch, das wir recht
eigentümliche Individuen sind.“
„Du kannst aber auch alles immer verharmlosend ausdrücken!“
„Sag ich ja. Das Los des Menschen. Wenn man in der Lage ist die Sprache vernünftig zu
gebrauchen, dann kann man aus dem Holocaust eine verdammte Gartenparty machen. Ist
ne Art NLP!“
„Ich glaube nicht, dass es sich dabei um NLP handeln würde.“
„War vielleicht recht zynisch formuliert, aber du weißt was ich meine. Wozu das
vermeintlich Böse in seiner reinsten Form noch mit Ausdrucksstärke füttern. Etwas Macht
sollte doch in der ursprünglichen Beschaffenheit verwurzelt bleiben. Worte lenken nur ab.
Verwässern, oder machen saftiger. Je nach dem. Aber die Realität wird an diesen Stellen
nicht dünner, eher wird das Glas milchiger.“
„Keine Ahung wovon zum Teufel du redest.“
„Hab ich auch in den seltensten Fällen. Ich komme eher über Improvisation und Instinkt.
Vielleicht macht mich das zu einem besseren Tier.“
„Du bist ein verdammter Kneipen Demagoge!“
Tim hatte Recht. Vielleicht war ich das ja. Aber ich war noch nicht komplett wahnsinnig
geworden. Immerhin hatte ich mal wieder das Saufen aufgegeben, und seit dieser Zeit
schossen die Gedanken wie tödliche Kugeln durch meinen Kopf.
Ein Zustand den ich eigentlich ablehnte, weil die Flamme der Wahrheit heißer brannte, je
näher man an sie herantrat.
Das im geopolitischen Orchester Anfang 2024 ausschließlich Arschgeigen die Musik
machten, war nicht wegzudiskutieren. Putin log wenn er das Maul aufmachte, und er war
dabei wesentlich eloquenter als ich. Das der russische Bär wieder gen Europa wanderte,
das war beängstigend, nicht nur für die Ukraine und Europa an sich. Und im Gegensatz zu
meinen harmlosen Lügen, basierten Putins Aussagen auf der Forcierung von Angst, und
waren nicht zum erträglicher machen des eigenen Selbsthasses kreiert. Viele seiner
Drohungen waren direkt formuliert, ohne Umschweife und Verheimlichungen. Er sprach
nicht vom Krieg gegen den Terror, wo er eigentlich andere Ziele verfolgte. Er versteckte
seine Pläne geschickt in einem semipermeablen Gewand der Halbwahrheiten. So konnte er
klar sagen was er wollte, und erschien in einer Art recht schaffendem Licht, das die
dümmeren unter uns blenden konnte. Und doch: Ähnlich wie bei Hitler, wusste man genau
woran man war. Stellte sich nur die Frage, wie man dem Bären das Fell über die Ohren
ziehen konnte.
Das derzeitige Gegengewicht waren politisch unfähigere Gegner, und wenn man die
Tatsache berücksichtigte, dass eventuell eine Wiederwahl Donald Trumps vor der Tür
stand, dann konnte einem durchaus Angst und Bange werden. Es war eine fürchterliche
Zeit, um mit dem Saufen aufzuhören. Ich beneidete Tim nicht.
„Lass uns schon mal runter gehen.“ sagte Tim.
Er versuchte irgendwie sich eine Hose anzuziehen.
Wir fuhren mit dem Aufzug nach unten, und Tim schaffte es selbstständig zu gehen, ohne
zu stürzen.
Draußen stand irgendein Handwerker, und war am rauchen. Er sah Tim an, der sich auf die
Treppe vorm Haus gesetzt hatte.
„Lange Nacht gehabt?“ fragte der Handwerker.
„Langes Leben.“ stöhnte Tim.
Ich stellte mich etwas um die Ecke, weil ich noch immer recht high vom Gras war.
„Soll das alles sein?“ hörte ich den Handwerker sagen. „Zwei von den gelben
Mülltonnen?“
„Lächerlich!“ sagte Tim. „Wir sind vierundsechzig Mietparteien. Das reicht hinten und
vorne nicht aus!“
Wir befanden uns zu der Zeit, da die gelben Wertstoffsäcke ihren letzten Atemzug taten.
Ersetzt wurden sie durch schwarz-gelbe Mülltonnen. Während den Eisbären weiter die
Heimat wegschmolz, waren wichtige politische Entscheidungen zur Entsorgung des Mülls
gefällt worden. Eine für den Normalbürger sichtbare Veränderung, und der sich aus Plastik
materialisierte Beweis, dass man sich von politischer Seite aufopferungsvoll um die Natur
sorgte. Die meisten Leute waren am maulen, wie sie bei Veränderungen meistens am
maulen waren. Mir persönlich war es herzlich egal wie ich in Zukunft meinen Müll zu
entsorgen hatte.
Endlich bog der Wagen von Tims Vater auf den Parkplatz.
Ich atmete kurz durch, dann nahm ich die Palette mit Bier entgegen, die im Kofferraum
wartete. Ich wechselten einige kurze Worte mit Tims Dad, während Tim abseits sitzend
weiter mit dem rauchenden Handwerker konferierte.
Anschließend fuhren wir mit dem Aufzug wieder nach oben.
Ich stellte die Palette auf der Couch ab, und ließ mich in den Sessel fallen, in dem ich
immer saß, wenn ich bei Tim war.
Knapp zwei Wochen später kämpfte ich mich durch einen Mob wütender Demonstranten.
Um mich herum ragten Transparente und Schilder an billigen Holzstielen in die Luft.
Männer und Frauen die aussahen, als wüssten sie nicht zu welchem Schlag Menschen sie
eigentlich gehörten, schrien irgendwelche dummen Parolen. Arme Teufel, flankiert von
bedrohlich wirkenden Polizisten, in ihrer Infantilität noch immer überzeugt, sie könnten
die Sprache retten, oder das Klima, oder was sonst sie gerade von der Erbärmlichkeit ihres
eigenen unerfüllten Lebens ablenkte. Das fatale war, dass diese Idioten die Hoffnung noch
nicht verloren hatten. Sie glaubten wahrscheinlich tatsächlich an eine Veränderung, die sie
herbeizuführen versuchten, junge, frische Idealistinnen die, die Realität noch nicht
verinnerlicht hatten. Es würde keine Veränderung geben, es gab überhaupt nichts was man
tun konnte.
Ich schaffte es bis zur Bushaltestelle, und erwischte die richtige Linie.
Tim wartete bereits beim Raucherbereich der Universitätsmedizin Göttingen.
Als er mich erblickte, kam er auf mich zu. Er machte einen übertrieben dynamischen
Eindruck.
„Die verfluchte Welt da draußen geht vor die Hunde!“ sagte ich.
„Lass uns ne Runde spazieren gehen. Ich muss mal hier vom Gelände runter.“
Wir gingen über die anliegenden Sportplätze, beobachteten die Beachvolleyball Spieler
und anderen durchtrainierten Jünglinge in der Blüte ihres Lebens. Figuren die sich am
Abend zum kochen treffen würden. Einem erlaubten Glas Wein vielleicht. Und
irgendeinem dummen Streamingdienst Film. Zusammen würden sie anschließend darüber
diskutierten, ohne zu merken, dass sie nicht die geringste Ahnung davon hatten, dass ihnen
die Schönheit gehaltvollerer Unterhaltung entging. Studenten, versklavt von der aktuellen
Modeindustrie, von Netflix, beschissenen R&B Techno Hybriden und dem Glauben das
hinter ihren bescheurten Regenbogen Flaggen der Topf Gold wartete, den man uns als
Kindern versprochen hatte.
„Machst n guten Eindruck.“ sagte ich. „Kein Vergleich zu neulich.“
„Geht mir auch besser. Haben mich auf Dias gesetzt, bin ich aber fast wieder von runter.“
„Sauber.“
„Gestern hab ich mit meinem Vater das Leergut weggebracht. Waren über 70 Euro.“
„Na, das is doch mal was.“
„Das einzig beschissene ist, dass ich nochmal zum Urologen muss. Die wollten ne
Urinprobe von meinen Mittelstrahl, und ich Idiot hab den vollgepissten Becher aus
versehen umgekippt. Tut mir ja auch leid, aber ich kann nur drei mal am Tag pinkeln. Ich
hab ne Blase wien Büffel.“
„Na, dann pisst du halt morgen wieder.“
„Wenn es nur das wäre. Die wollen an meine Prostata ran. Mit nem gottverdammten
Metallstiel, an dem oben so eine Art Zahnrad dran ist. Können se voll vergessen. Das Ding
lass ich mir nicht rein schieben!“
„Klingt doch nach ner Menge gratis Spaß.“
„Am Arsch!“
Wir kamen an eine frei Bank, und setzten uns.
„Du wirst es kaum glauben.“ sagte Tim. „Wir haben zu Hause endlich mehr Mülltonnen
bekommen!“
„Ach ja.“
„Yo. Haben jetzt zwei 1200 Liter Container, und zwei 240 Liter Tonnen. Hab mal
durchgerechnet, das würde reichen, wenn in jeder Wohnung nur eine Person leben
würde…“
„Jesus Christus, dass ist doch n Anfang. Klingt fast schon nach nem verdammten Happy
End.“
„Ich weiß ja nicht. Das ist immer noch zu wenig Kapazität.“
„Hör auf dir die Birne mit Müll zuzumüllen…“
„Mal abwarten…“
Wir drehten uns Zigaretten.
„Es gibt jetzt die großen Ü-Eier.“ sagte Tim. „Für 9,99. Sind Marvel Figuren drin.“
„Is nicht wahr.“
„Doch. Geht doch auf Ostern zu.“
„Fuck, stimmt ja…“
„Und jetzt pass auf: Ich hab mir vier Eier geholt, alle aus der gleichen Palette.“
„Und vier mal Captain America?“
„Ne, den gibt es gar nicht…Vier verschiedene! Im ersten Ei, direkt Spider Man.“
„Shit! Da hatten se dich, was?“
„Auf jeden Fall. Dann hatte ich noch Groot, Iron Man und Hulk. Und jetzt bin ich nicht
sicher…Auf dem Beipackzettel kann man nicht erkennen, ob es noch eine fünfte Figur
gibt.“
„Vier von Vier. Gute Quote. Ich habs ja immer gesagt, Gott hat was übrig für Leute wie
uns. Die anderen Arschlöcher da draußen sind ihm vermutlich zu langweilig.“
Wir lehnten uns auf der Bank zurück, rauchten unsere Selbstgedrehten und sahen einer
knackigen Brünetten hinterher, die auf ihrem Mountainbike auf den Sonnenuntergang
zufuhr.